Interview mit der Regisseurin
Mit
DIENSTAG UND EIN BISSCHEN MITTWOCH hast du schon mal einen Film in
Südkorea gedreht, in dem du den Tagesablauf einer koreanischen High
School Schülerin gezeigt hast. Was hat dich veranlasst, zehn Jahre
später wieder einen Film in Korea zu drehen?
Der erste Auslöser war ein Besuch der entmilitarisierten Zone (DMZ)
zwischen Nord- und Südkorea mit einer Reisegruppe. Diese Tour war in
erster Linie deshalb beeindruckend, weil es eigentlich nichts zu sehen
gab, aber dieses Nichts – einfach Bäume, einzelne Gebäude und ein
bisschen Stacheldraht – durch die Moderation der (südkoreanischen)
Reiseführerin so mit Bedeutung überladen wurde, dass man hinterher das
Gefühl hatte, etwas Besonderes, auch etwas besonders Gefährliches
erlebt zu haben. Einige Jahre später bin ich durch eine Freundin wieder
nach Paju gekommen und habe im Gespräch mit ihr schnell verstanden,
dass die Gegend an der Grenze von den Südkoreanern überhaupt nicht als
gefährlich empfunden wird. Dass sie teilweise gar nicht wissen, wo die
Grenze verläuft und welche der Berge in der Landschaft nun im Norden
oder im Süden liegen. Dass das für sie und ihr Alltagsleben fast keine
Rolle spielt, war für mich natürlich erstmal kurios ...
Der Film beginnt aber ganz anders, nämlich mit deiner Familiengeschichte ...
Meine Familie mütterlicherseits stammt ursprünglich aus Nordkorea. Kurz
vor Ausbruch des Koreakriegs sind sie in den Süden geflohen. Später
wurden meine Großeltern auf einem Friedhof für Heimatvertriebene aus
Nordkorea in Paju begraben.
Von der
Familiengeschichte ausgehend weitet sich der Blick des Films dann sehr
entschieden. Was ist dein „Forschungsfeld“ bei diesem Filmprojekt?
Ich habe mir die Frage gestellt, welche Spuren die Teilung im heutigen
Südkorea hinterlassen hat. Darauf gibt es natürlich sehr viele
verschiedene Antworten. Bei der Auswahl der Protagonisten habe ich
versucht, diese Unterschiede abzubilden, indem ich verschiedene
Altersgruppen und Berufe gesucht habe. Zum Beispiel wollte ich von
Anfang an eine Reiseführerin in dem Film haben, weil ich es interessant
fand, dass die Teilung quasi ihre Existenzgrundlage ist.
Was bedeutet die koreanische Teilung denn für dich und hat sich deine Einstellung dazu durch den Film verändert?
Etwas überspitzt könnte ich sagen: ich glaube nicht an die koreanische
Teilung, zumindest nicht in ihrer jetzigen Form. Sie ist ein Relikt des
kalten Krieges, der im 21. Jahrhundert eigentlich überwunden sein
sollte. Durch den Film habe ich verstanden, wie sehr die Teilung
inzwischen zu etwas geworden ist, was die Menschen in Korea
verinnerlicht haben und womit sie leben. Und dass es, wenn man heute
über so etwas wie eine Wiedervereinigung spricht, nicht nur darum gehen
kann, wie man die äußere (politische) Teilung von zwei Staaten
überwindet, sondern dass die vielleicht wichtigere Frage ist, wie man
die innere Teilung im Denken der Bewohner wieder in Zusammenklang
bringen kann.
Das Gespräch führte Florian Geierstanger.
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